Mit Norbert Seidl hat sich Puchheim für einen Bürgermeister entschieden, der angetreten ist, um die verschiedenen Teile Puchheims zusammenzuhalten. Dass dies eine der wichtigste Herausforderungen der nächsten Jahre sein wird, lässt sich an der Zahl jener ablesen, die nicht zur Wahl gegangen sind – rund 60 Prozent. Denn Puchheim zerfällt nicht nur in verschiedenen Ortsteile und soziale Milieus, sondern hat auch einen unsichtbaren Bevölkerungsteil, der trotz vielfältiger Angebote am politischen und kulturellen Leben der Stadt nicht (mehr) teilnimmt. In den letzten Wochen und Monaten haben alle angetretenen Kandidaten ihre persönliche wie fachliche Eignung unter Beweis gestellt, alle könnten in der Nachfolge von Dr. Kränzlein das Bürgermeisteramt ausfüllen. Die gute Nachricht ist, dass alle weiterhin für die Stadt tätig sein werden. Das wird auch nötig sein, denn die hohe Zahl der Nichtwähler dokumentiert, dass in Puchheim mehrere Wirklichkeiten nebeneinander existieren. Da gibt es die „Aktivbürger“, die sich in Vereinen und Sozialverbänden engagieren und das öffentliche Leben der Stadt bestimmen. Und es gibt jene, für die Puchheim lediglich als Wohnungsanschrift von Bedeutung ist.
Die Gründe für das verbreitete Desinteresse an der Wahl mögen vielfältig sein. Puchheim hängt immer noch das Etikett einer gesichtslosen Schlafstadt ohne Zentrum an, was eine Identifikation erschwert. Puchheim hat fraglos auch seine sozialen Brennpunkte (wie andere Städte auch), aber das Problem reicht wohl tiefer.
Ein Beispiel: Die Vielfalt des kulturellen Angebots wird in Puchheim oft beschworen, tatsächlich wendet es sich aber vorwiegend an das Bildungsbürgertum. Das Konzept etwa, das 1. Stadtfest zur Bühne für Puchheimer Künstler und Vereine zu machen, wirkt auf dem ersten Blick konsequent und identitätsstiftend, schränkt aber den Kreis des interessierten Publikums stark ein. Gerade die Jüngeren wird man damit nicht erreichen können. Ein Stadtfest sollte für alle gedacht sein. Dass es auch anders geht, zeigt das Programm der nahezu parallel stattfindenen Gröbenzeller 60-Jahr-Festwoche. Mit Haindling & Co werden zwar bekannte Namen von außen „eingekauft“, die Mischung spricht aber alle Bevölkerungschichten an und wirkt deutlich weniger provinziell.
Vereine und Verbände, in denen sich die Aktivbürger organisieren, gibt es in Puchheim zahlreich, sie bestreiten maßgeblich das öffentliche Leben. Das ist wichtig und auch gut so. Aber sie repräsentieren nur noch einen Teil der Bevölkerung. Puchheim ist eine geteilte Stadt. 60 Prozent Nichtwähler sind ein beunruhigender Beleg dafür. Während des Wahlkampfs war zu spüren, dass die Kandidaten das Problem erkannt haben. Auf den neuen Bürgermeister Norbert Seidl wartet eine große Aufgabe.
TvS am
In vieler Hinsicht ein treffender Kommentar (leider)
TvS